Dieser Kurstext ist ein Auszug aus unserem Onlinekurs: TM2 – Festigkeitslehre
In dieser Lerneinheit wollen wir uns anschauen, wie die Gesamtdehnung im Stab berechnet wird.
Die Gesamtdehnung setzt sich zusammen aus der Wärmedehnung infolge einer gegebenen Temperaturdifferenz und einer mechanischen Dehnung, infolge einer Zug- oder Druckkraft. Treten beide Fälle auf, so müssen wir beide Dehnungen bei der Berechnung der Gesamtdehnung des Stabs berücksichtigen.
Gesamtdehnung
Die Gesamtdehnung im Stab ergibt sich aus der Dehnung infolge einer Zugkraft und der Dehnung infolge einer Temperaturdifferenz:
(1) Gesamtdehnung
Für die Dehnung infolge einer Zugkraft (im Weiteren mit εmech bezeichnet) können wir das Hookesche Gesetz heranziehen und nach der Dehnung auflösen:
Für die Dehnung infolge der Temperaturdifferenz haben wir im Abschnitt Wärmedehnungen die folgende Gleichung aufgezeigt:
Wir setzen nun die einzelnen Dehnungen in die Gleichung für die Gesamtdehnung ein und erhalten:
(2) Gesamtdehnung
Die Normalspannung σ können wir auch bestimmen zu:
Zugstab
Einsetzen führt uns auf:
(3) Gesamtdehnung
Hierbei ist F die äußere Zugkraft, E der Elastizitätsmodul, A der Querschnitt, α der Längenausdehnungskoeffizient undΔT die Temperaturdifferenz. Der gesamte Ausdruck EA wird auch als Dehnsteifigkeit bezeichnet.
Die obigen Gleichungen gelten für eine Ausdehnung des Stabs (Zugstab und Temperaturerhöhung). Ist zum Beispiel eine Druckkraft gegeben so wird die Kraft F negativ und damit folgt eine Stauchung und keine Ausdehnung. Der erste Term wird dann negativ:
Gesamtdehnung bei Druckkraft & Temperaturerhöhung
Verringert sich die Temperatur des Stabes und zieht dieser sich zusammen, so muss der zweite Term negativ berücksichtigt werden:
Gesamtdehnung bei Zugstab und Temperaturabfall
Gesamtdehnung bei Druckstab und Temperaturabfall
Videoclip: Gesamtdehnung berechnen
Im folgenden Video zeigen wir dir anhand eines Beispiels, wie du die Gesamtdehnung in einem Stab berechnen kannst.
Normalspannung bei Gesamtdehnung
In der Gleichung (2) wird deutlich, dass bei einer Gesamtdehnung auf eine Normalspannung gegeben ist. Grund dafür ist die auftretende mechanische Dehnung. Eine reine Wärmedehnung weist keine Normalspannung auf.
Wollen wir die Normalspannung berechnen, so können wir die obige Gleichung (2) nach dieser auflösen:
Erinnerung: Bei einer reinen Wärmedehnung entstehen keine Spannungen!
Die Normalspannung die dabei entsteht, kann aus der Gleichung (2) berechnet werden:
Es ergibt sich eine Normalspannung bei einer Gesamtdehnung zu:
Normalspannung
In der obigen Gleichung ist deutlich zu erkennen, dass bei der Berechnung der Normalspannung die Wärmedehnung α ·ΔT von der Gesamtdehnung εges abgezogen wird.
In dieser Lerneinheit wollen wir uns zwei Aufgaben zur Berechnung der Gesamtdehnung bzw. Längenänderung anschauen.
Aufgabe 1: Konstante Temperaturänderung
Gegeben sei ein Stab, welcher am linken Ende fest eingespannt ist und am rechten Ende durch eine Druckkraft F belastet wird. Der Stab wird durch eine konstante Temperaturänderung ΔT im gesamten Stab belastet.
Wie groß muss die angreifende Kraft F sein, damit sich die Länge des Stabs nicht ändert?
Gegeben:
,
,
,
,
Wir betrachten hier einmal eine Ausdehnung infolge der Temperaturdifferenz und zum anderen eine Dehnung infolge der Druckkraft F. Wir können hier also die Gleichung für die Gesamtdehnung heranziehen:
mit
Druckstab
Damit ergibt sich:
In der Aufgabenstellung steht, dass sich der Stab nicht in seiner Länge ändern soll, damit tritt auch keine Dehnung auf:
Und damit:
Auflösen nach der gesuchten Kraft F:
Wir können nun alle Werte einsetzen und erhalten:
Bei einer Druckkraft von 3.880,8 N ist die Dehnung infolge der Temperaturänderung gleich der Stauchung infolge der Kraft F. Damit tritt keine Längenänderung auf!