Lagerkräfte berechnen – Beispiel!

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Lagerkräfte berechnen?

Vorgehensweise und Beispiel mit schrittweiser Lösung.
Auszug aus unserem Onlinekurs PH2-Grundlagen der Statik. 
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Ein wichtiges Thema in der Statik ist die Berechnung der unbekannten Lagerkräfte.

Wie groß müssen die Lagerkräfte sein, damit das Bauteil wie zum Beispiel eine Brücke sich im Gleichgewicht befindet, also stabil ruht?

Schauen wir uns in diesem Beitrag mal die Vorgehensweise zur Berechnung der Lagerkräfte an sowie ein Beispiel mit schrittweiser Lösung.

Lagerarten

Wir betrachten hier die drei gängigsten Lagerarten: Feste Einspannung, Festlager und Loslager.

Feste Einspannung


Die Feste Einspannung überträgt ganze drei Lagerreaktionen: Moment, Vertikalkraft und Horizontalkraft.

Soll heißen, dass ein Bauteil, welches eine feste Einspannung aufweist nicht gedreht sowie vertikal oder horizontal verschoben werden kann, weil die feste Einspannung das Bauteil daran hindert.

Hierzu kannst du dir ganz einfach ein Regal vorstellen, welches mit Winkeln und Dübel fest in der Wand verankert ist. Dieses Regal kannst du nicht drehen oder verschieben.

Festlager und Loslager


Das Festlager überträgt zwei Lagerreaktionen: Vertikalkraft und Horizontalkraft. Das Loslager eine Lagerreaktion: Kraft senkrecht zur Verschiebung.

Der Unterschied zwischen diesen beiden Lagerarten liegt in der Möglichkeit der Verschiebung. Das Festlager ermöglicht keine vertikalen und horizontalen Verschiebungen. Das Loslager hingegen kann, je nach Orientierung, entweder horizontal oder vertikal verschoben werden. Also in eine Richtung ist das Loslager verschiebbar, senkrecht zu dieser Richtung aber nicht.

Schauen wir uns mal an, wie die Berechnung der Lagerkräfte aus den Gleichgewichtsbedingungen abläuft.

Vorgehensweise: Lagerkräfte berechnen


Schritt 1: Freischnitt

Zunächst musst du den betrachteten Körper/das Tragwerk von seiner Umgebung freischneiden. Damit trennst du das Tragwerk von seinen Auflagern und trägst dann die Lagerkräfte ab. Dazu solltest du wissen, welche Auflager gegeben sind und welche Kräfte die jeweiligen Auflager übertragen.

Merk’s dir!

Ein Festlager überträgt zum Beispiel eine vertikale und eine horizontale Kraft.

Ein Loslager überträgt eine vertikale oder horizontale Kraft (je nachdem wie es angebracht ist).

Eine feste Einspannung überträgt eine vertikale und eine horizontale Kraft sowie ein Moment.

Berechnung von Lagerkräften: Übersicht über die Lagerarten
Übersicht der gängigen Lager und ihrer Lagerreaktionen

 

Schritt 2: Gleichgewichtsbedingungen anwenden

Nachdem du das Tragwerk von den Auflagern frei geschnitten hast, kannst du mit der Berechnung der unbekannten Lagerkräfte starten.

Merk’s dir!

Alle horizontalen Kräfte gehen in die Gleichgewichtsbedingung in x-Richtung ein. Hierbei berücksichtigst du alle Kräfte die nach rechts zeigen positiv und alle Kräfte die nach nach links zeigen negativ.

Alle vertikalen Kräfte gehen in die Gleichgewichtsbedingungen in y-Richtung ein. Hierbei berücksichtigst du alle Kräfte die nach oben zeigen positiv und alle Kräfte die nach nach unten zeigen negativ.

Für die Momente gilt, dass diese in der Momentengleichgewichtsbedingung erfasst werden. Alle linksdrehenden Momente sind positiv, alle rechtsdrehenden Momente negativ zu berücksichtigen.

 

Schauen wir uns dazu ein Beispiel an.

Prüfungsaufgabe 1: Lagerkräfte berechnen


Aufgabenstellung

Lagerkräfte berechnen, Beispiel, Einzelkraft

Gegeben sei der obige Balken, auf welchen eine vertikale Kraft mit 200 N wirkt. Der Balken ist auf einem Festlager (links) und einem Loslager (rechts) gelagert.

Bestimme alle Auflagerkräfte!

Lösung

Schritt 1 – Freischnitt

 Zunächst müssen wir den Balken von den Auflagern freischneiden, d.h. wir tragen stattdessen die Auflagerkräfte an. Ein Festlager überträgt zwei Kräfte (vertikal und horizontal zur Unterlage) und ein Loslager eine Kraft vertikal zur Unterlage.

Beispiel 1: Freischnitt
Beispiel 1: Freischnitt

 

Wir bezeichnen das linke Lager mit A und geben die Lagerkräfte jeweils mit A_x (horizontale Lagerkraft) und A_y (vertikale Lagerkraft) an. Das rechte Lager bezeichnen wir als B mit der vertikalen Lagerkraft B_y.

Schritt: 2 – Kräftezerlegung

Da keine Kraft mit Winkel gegeben ist, muss hier auch keine Kräftezerlegung durchgeführt werden.

Schritt 3 – Gleichgewichtsbedingungen aufstellen

Zur Bestimmung der unbekannten Lagerkräfte benötigen wir die drei Gleichgewichtsbedingungen in der Ebene:

I. \sum F_x = 0          Gleichgewichtsbedingung in x-Richtung

II. \sum F_y = 0          Gleichgewichtsbedingung in y-Richtung

III. \sum M^{X} = 0          Momentengleichgewichtsbedingung

Beispiel 1: Freischnitt
Beispiel 1: Freischnitt

 

Gleichgewichtsbedingung in x-Richtung

Wir beginnen mit der Gleichgewichtsbedingung in x-Richtung. Alle Kräfte die in x-Richtung zeigen werden hier berücksichtigt. Kräfte in negative x-Richtung werden mit einem Minuszeichen versehen:

I. A_x = 0

Es wirken keine äußeren horizontalen Kräfte auf den Balken. Demnach tritt auch keine horizontale Lagerkraft auf.

Gleichgewichtsbedingung in y-Richtung

Als nächstes betrachten wir die Gleichgewichtsbedingung in y-Richtung. Alle Kräfte die in y-Richtung zeigen werden hier berücksichtigt. Kräfte in negative y-Richtung werden mit einem Minuszeichen versehen:

II. A_y + B_y - F = 0

Die Kraft F wird negativ berücksichtigt, weil diese nach unten in negative y-Richtung zeigt. Wir können hier noch keine Lagerkraft berechnen, da wir zwei unbekannte Lagerkräfte A_y und B_y gegeben haben.

Momentengleichgewichtsbedingung

Bei der Anwendung der Momentengleichgewichtsbedingung müssen wir zunächst einen geeigneten Bezugspunkt festlegen. Bei der Berechnung von Auflagerkräften legt man den Bezugspunkt dort hin, wo die meisten unbekannten Kräfte gegeben sind. Bis jetzt sind die Auflagerkräfte A_y und B unbekannt, weshalb wir den Bezugspunkt entweder in das Lager B oder in das Lager A legen können. Wir legen den Bezugspunkt in das Lager A.

Wir müssen nun alle Momenten auf diesen Bezugspunkt berechnen. Solltest du dir unsicher sein wie das genau funktioniert, schau dir nochmal das folgende Video an.

Schauen wir uns nochmal den Freischnitt an:

Beispiel 1: Freischnitt
Beispiel 1: Freischnitt

 

Wir berechnen nun alle Momente auf den Bezugspunkt im Lager A und erhalten:

III. -F \cdot 2 m + B_y \cdot 6 m = 0

A_x fällt aus der Berechnung raus, da die Wirkungslinie den Bezugspunkt schneidet, dasselbe gilt für A_y. Die Kraft F weist den senkrechten Abstand von 2m auf, die Kraft B_y den Abstand von 6m. Es stellt sich nur noch die Frage, welches davon ein rechts- und welches ein linksdrehendes Moment darstellt.

Dazu stellt man sich den Balken im Bezugspunkt fixiert vor. Wir starten mit der Kraft F und der Drehwirkung dieser Kraft auf den gewählten Bezugspunkt. Die Kraft F drückt den Balken nach unten, es würde sich dann eine Drehung im Uhrzeigersinn ergeben (rechtsdrehendes Moment = negativ).

Danach betrachten wir die Lagerkraft B_y und die Drehwirkung auf den gewählten Bezugspunkt. Die Lagerkraft B drückt den Balken nach oben und es ergibt sich eine Drehung gegen den Uhrzeigersinn (linksdrehendes Moment = positiv).

Da die äußere Kraft F = 200 N gegeben ist, können wir aus der III. Gleichung die Auflagerkraft B berechnen:

 

Aus III)

Dazu lösen wir die Gleichung nach B_y auf:

-F \cdot 2 m + B_y \cdot 6 m = 0          |+F \cdot 2m

B_y \cdot 6m = F \cdot 2m           |:6m

B_y = \frac{F \cdot 2m}{6m}

Einsetzen der gegebenen Werte:

B_y = \frac{200 N \cdot 2m}{6m} = 66,67 N

Da wir nun die Auflagerkraft B_y gegeben haben, können wir aus der II. Gleichung A_y berechnen:

Aus II)

A_y + B_y - F = 0

Auflösen nach A_y:

A_y = F - B_y

Einsetzen der gegebenen Werte:

A_y = 200N - 66,67 N = 133,33 N

Damit sich der Balken im Gleichgewicht befindet, sich also infolge der Kraft F nicht in y-Richtung bewegt bzw. in der x,y-Ebene rotiert, muss das Lager B eine Lagerkraft von B_y = 66,67 N und das Lager A eine Lagerkraft von A_y = 133,33 N aufbringen. Da keine horizontalen Kräfte auf den Balken wirken, wird die Auflagerkraft A_x = 0.

Lagerkräfte berechnen?

Diese Aufgabe dient als Einführung in die Berechnung von Lagerkräften. Nach und nach werden mehr Kräfte hinzugenommen.

  • Hier auch Kräfte mit Winkel, die dann zunächst mittels Kräftezerlegung in eine Horizontal- und eine Vertikalkomponente zerlegt werden müssen, damit sie innerhalb der Gleichgewichtsbedingungen berücksichtigt werden können.
  • Auch Streckenlasten (konstant und veränderlich) werden hinzugenommen. Dazu muss für die Berechnung der Lagerkräfte zunächst die Resultierende der Streckenlast gebildet werden und ihr Angriffspunkt bestimmt werden, bevor die Streckenlast innerhalb der Gleichgewichtsbedingungen berücksichtigt werden kann.

Alle diese Themen und noch viel mehr findet ihr in unseren beiden Kursen PH2 – Einführung in die Statik sowie TM1-Statik (mit Streckenlasten etc).

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Rückmeldungen

  1. Achtung Fehler: Aufgabenstellung 1.
    Festlager rechts.
    Loslager links.

    Im Freischnitt wurden beide vertauscht. Denn hier überträgt die linke Seite horizontale und vertikale Kräfte.

    1. Hi Ingo,

      vielen Dank für deinen Hinweis. Ich habe die Aufgabenstellung abgeändert, so dass nun links das Festlager und rechts das Loslager liegt. Somit passt die Lösung auch zur Aufgabenstellung.

      Viele Grüße, Jessica

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