Der Mohrsche Spannungskreis dient der Bestimmung der Extremwerte der Normal- und Schubspannungen, der sogenannten Hauptspannungen, sowie der dazugehörigen Hauptrichtungen.
In diesem Lerntext zeigen wir dir, wie du den Mohrschen Spannungskreis aus den gegebenen Spannungen zeichnest und wie du daraus die Hauptnormalspannungen und Hauptschubspannungen ablesen kannst.
Am Ende des Textes schauen wir uns das Vorgehen nochmal detailliert in zwei Videoclips an. Danach sollte dir die Thematik für deine Prüfung nicht mehr schwer fallen.
Mehr zu diesem Thema und der Elastostatik /Festigkeitslehre findest du im Kurs: TM2-Festigkeitslehre
Mohrscher Spannungskreis – Einfach erklärt – Grundlagen
Der Mohrsche Spannungskreis (kurz Mohrsche Kreis), benannt nach Christian Otto Mohr, ist ein grafisches Verfahren zur Analyse der Spannungen in einem Material unter Belastung. Es hilft dabei, die Hauptspannungen, die Schubspannungen und die Orientierung der Spannungen zu bestimmen.
Hier ist für dich eine einfache Erklärung des Mohrschen Spannungskreises in Stichpunkten:
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Der Mohrsche Spannungskreis basiert auf der Annahme, dass ein Material in einem Punkt unter Belastung von verschiedenen Spannungen in verschiedenen Richtungen beeinflusst wird. Diese Spannungen können als Vektoren dargestellt werden.
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Der Spannungskreis wird auf einem Koordinatensystem gezeichnet, wobei die horizontale Achse die normale Spannung und die vertikale Achse die Schubspannung darstellt.
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Der erste Schritt besteht darin, die beiden Hauptspannungen zu identifizieren. Dies sind die maximalen und minimalen Spannungen, die an einem Punkt im Material auftreten.
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Die Hauptspannungen werden als Punkte auf dem Spannungskreis dargestellt. Der Punkt für die maximale Spannung liegt auf der horizontalen Achse und der Punkt für die minimale Spannung liegt auf der vertikalen Achse.
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Die Differenz zwischen den beiden Hauptspannungen wird als Spannungsamplitude bezeichnet und kann durch den Abstand zwischen den beiden Punkten auf dem Spannungskreis dargestellt werden.
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Um die Schubspannung zu bestimmen, wird eine Linie vom Punkt der maximalen Spannung zum Punkt der minimalen Spannung gezogen. Der Schnittpunkt dieser Linie mit dem Kreis ergibt den Schubspannungswert.
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Zusätzlich zur Bestimmung der Spannungen ermöglicht der Mohrsche Spannungskreis auch die Bestimmung der Orientierung der Spannungen. Der Winkel zwischen der horizontalen Achse und der Linie, die vom Ursprung des Koordinatensystems zum Punkt der maximalen Spannung gezogen wird, gibt die Richtung der maximalen Hauptspannung an.
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Der Mohrsche Spannungskreis kann auch verwendet werden, um die Spannungszustände unter verschiedenen Belastungsbedingungen zu vergleichen, beispielsweise bei Zug- und Druckbelastung oder bei unterschiedlichen Scherbelastungen.

Mohrscher Spannungskreis – Anwendungsbereiche
Der Mohrsche Spannungskreis ist ein graphisches Werkzeug, das in der Festigkeitslehre verwendet wird, um die Spannungszustände in einem Materialpunkt unter verschiedenen Belastungsbedingungen darzustellen. Es bietet eine Möglichkeit, die Hauptspannungen, die Schubspannungen und die resultierenden Spannungen zu visualisieren.
Hier sind einige Anwendungsbereiche für den Mohrschen Spannungskreis:
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Festigkeitsanalyse: Der Mohrsche Spannungskreis wird häufig verwendet, um die Festigkeitseigenschaften eines Materials zu analysieren. Es ermöglicht Ingenieuren, die maximalen und minimalen Spannungen zu bestimmen, denen ein Material unter verschiedenen Belastungsbedingungen ausgesetzt ist. Dies ist wichtig, um die Sicherheit und Zuverlässigkeit von Strukturen und Komponenten zu gewährleisten.
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Bestimmung der Bruchfestigkeit: Der Spannungskreis kann verwendet werden, um die Bruchfestigkeit eines Materials zu ermitteln. Durch den Vergleich der tatsächlichen Spannungszustände mit der Bruchfestigkeit kann festgestellt werden, ob ein Material unter den gegebenen Belastungen versagt oder nicht.
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Bemessung von Bauteilen: Bei der Konstruktion von Bauteilen ist es wichtig, deren Festigkeit und Tragfähigkeit zu gewährleisten. Der Mohrsche Spannungskreis kann dabei helfen, die Spannungsverteilung und den kritischen Punkt in einem Bauteil zu bestimmen. Dies ermöglicht eine präzise Auslegung und Dimensionierung des Bauteils, um Versagen oder Überbeanspruchung zu vermeiden.
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Bodenmechanik: In der Geotechnik wird der Mohrsche Spannungskreis verwendet, um die Spannungsverteilung und die Scherfestigkeit von Bodenproben zu analysieren. Dies ist wichtig, um das Tragverhalten von Fundamenten, Böschungen oder Stützmauern zu verstehen und geeignete Sicherheitsfaktoren anzuwenden.
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Materialprüfung: Der Spannungskreis kann auch in Verbindung mit Materialprüfungen eingesetzt werden, um die mechanischen Eigenschaften von Werkstoffen zu charakterisieren. Durch die Analyse der Spannungs-Dehnungs-Diagramme und die Verwendung des Mohrschen Spannungskreises können Ingenieure Informationen über die Elastizität, den Bruchpunkt und andere wichtige Materialeigenschaften gewinnen.
Diese Beispiele zeigen, dass der Mohrsche Spannungskreis ein leistungsfähiges Werkzeug ist, um Spannungszustände in verschiedenen Anwendungsbereichen der Ingenieurwissenschaften zu analysieren und zu verstehen.
Mohrscher Spannungskreis – Beispiele
Hier sind einige Beispiele für den Mohrschen Spannungskreis:
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Eindimensionaler Spannungszustand: In diesem einfachsten Fall gibt es nur eine Normalspannung entlang einer Achse. Der Mohrsche Spannungskreis reduziert sich auf einen Punkt auf der Achse, da es keine Schubspannungen gibt.
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Zweidimensionaler Spannungszustand: Ein Beispiel dafür ist ein uniaxialer Zug- oder Druckversuch. Hier gibt es eine Normalspannung entlang einer Achse und keine Normalspannung in der senkrechten Richtung. Der Mohrsche Spannungskreis wird als horizontaler Punkt auf der Achse dargestellt.
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Reiner Scherzustand: In diesem Fall gibt es nur Schubspannungen, und keine Normalspannungen sind vorhanden. Der Mohrsche Spannungskreis besteht aus einem Kreis mit dem Mittelpunkt auf der Schubspannungsachse.
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Biaxialer Spannungszustand: Ein Beispiel ist der Spannungszustand in einem dünnen, flachen Stab, der an den Rändern gehalten wird und axial gezogen oder gedrückt wird. Der Mohrsche Spannungskreis besteht aus einem Kreis mit dem Mittelpunkt auf der Achse der größten Normalspannung und dem Radius, der den Unterschied zwischen den beiden Hauptspannungen darstellt.
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Triaxialer Spannungszustand: Ein Beispiel dafür ist der Spannungszustand in einem eingespannten zylindrischen Druckbehälter. Der Mohrsche Spannungskreis besteht aus einem Kreis mit dem Mittelpunkt auf der Achse der größten Normalspannung und dem Radius, der den Unterschied zwischen der größten und der kleinsten Hauptspannung darstellt.
Mohrscher Spannungskreis – Zeichnen
Gegeben sei uns der folgende Spannungszustand:
Koordinatensystem festlegen und Punkte einzeichnen
Schritt 1: Zunächst zeichnest du ein σ,τ-Koordinatensystem (die σ-Achse ist die Abszisse und die τ-Achse die Ordinate).
Schritt 2: Als nächstes werden die Punkte P1(σx|τxy) und P2(σx|-τxy) abgetragen und miteinander verbunden.
Bei der Festlegung des Koordinatensystems sollte der Maßstab sinnvoll gewählt werden. Nicht zu klein, weil sonst die Spannungen nicht genau abgelesen werden können und auch nicht zu groß, so dass der Spannungskreis noch auf das Zeichenblatt passt.
Für unser Beispiel werden die beiden Punkte P1(40|-12) und P2(-25|-(-12)) = P2(-25|12) abgetragen und miteinander verbunden:

Kreismittelpunkt festlegen
Schritt 3: Der Kreismittelpunkt liegt im Schnittpunkt der Verbindungslinie mit der σ-Achse. Hier ist auch gleichzeitig die mittlere Normalspannung σM gegeben.

Kreis zeichnen
Schritt 4: Der Kreis verläuft durch die beiden Punkte P1 und P2.
Zum Zeichnen des Kreises wird ein Zirkel benötigt. Dieser wird im Kreismittelpunkt (bei der mittleren Normalspannung angesetzt. Es wird dann ein Kreis durch die beide Punkte P1 und P2 gezogen.
Mohrscher Spannungskreis: Spannungen ablesen
Nachdem wir den Mohrschen Spannungskreis gezeichnet haben, wollen wir als nächstes die Spannungen und Winkel ablesen.
Mittlere Normalspannung
Die erste Spannung, die wir bereits vor dem Zeichnen des Kreises ablesen können, ist die mittlere Normalspannung σM, die sich aus dem Schnittpunkt der Verbindungslinie mit der σ-Achse ergibt:
In unserem Beispiel beträgt die mittlere Normalspannung:
Aus der vorherigen Lektion weißt du bereits, dass die mittlere Normalspannung dann auftritt, wenn die Schubspannungen ihre Extremwerte annehmen (Hauptschubspannungen).
Du kannst auch jederzeit überprüfen, ob der Wert, den du abgelesen hast richtig ist, indem du einfach die mittlere Normalspannung mittels der folgenden Formel berechnest:
Einsetzen der Werte ergibt:
Hauptnormalspannungen
Treten die Hauptnormalspannungen (Extremwerte der Normalspannungen) auf, dann verschwinden die Schubspannungen. Mit diesem Wissen können wir die Hauptnormalspannungen ganz einfach ablesen. Sie befinden sich am Rand des Mohrschen Spannungskreises auf der σ-Achse:
Wichtig: Die Hauptnormalspannung σ1 ist immer größer als die Hauptnormalspannung σ2. Somit liegt σ1 immer rechts von σ2.
Wir lesen die obigen Werte ab und erhalten in etwa:
Du kannst auch jederzeit überprüfen, ob der Wert, den du abgelesen hast richtig ist, indem du die Hauptnormalspannungen mittels der folgenden Formel berechnest:
Einsetzen der Werte ergibt:
Hauptschubspannungen
Treten die Hauptschubspannungen auf, so nehmen die Normalspannungen ihren mittleren Wert an. Du ziehst also eine Hilfslinie ausgehend von der mittleren Normalspannung σM (=Kreismittelpunkt) in positive und negative τ-Richtung bis zum Rand des Mohrschen Spannungskreises. Dort liegt die maximale und minimale Hauptschubspannung:
Wir lesen die obigen Werte ab und erhalten in etwa:
Du kannst auch jederzeit überprüfen, ob der Wert, den du abgelesen hast richtig ist, indem du die Hauptnormalspannungen mittels der folgenden Formel berechnest:
Einsetzen der Werte:
📺 Lernclip – Zeichnen & Spannungen ablesen
Mohrscher Spannungskreis in 3D
Normalerweise wird der Mohrsche Spannungskreis in einer zweidimensionalen Ebene dargestellt. Allerdings kann er auch auf den dreidimensionalen Fall erweitert werden, um Spannungen in einem Material vollständiger zu beschreiben. Die dreidimensionale Realität kann man mit 3 Mohr’schen Spannungskreisen darstellen.
In einem 3D-Mohrschen Spannungskreis werden die drei Hauptspannungen eines Materials in einem dreidimensionalen Koordinatensystem dargestellt. Diese Hauptspannungen sind die Normalspannungen entlang der Hauptachsen des Koordinatensystems. Der Koordinatenursprung repräsentiert den Spannungszustand, bei dem alle Hauptspannungen null sind.
Der Spannungszustand wird durch einen Punkt im dreidimensionalen Raum dargestellt. Die Koordinaten dieses Punktes entsprechen den drei Hauptspannungen. Die Position dieses Punktes im Raum zeigt an, wie sich die Spannungen im Material verteilen.
Zusätzlich zu den Hauptspannungen kann der 3D-Mohrsche Spannungskreis auch Schubspannungen berücksichtigen. Schubspannungen treten entlang der Schubebenen auf und sind für die Festigkeitsanalyse von Materialien von Bedeutung.
Die Konstruktion des 3D-Mohrschen Spannungskreises erfolgt ähnlich wie in der 2D-Version. Durch die Rotation des 2D-Spannungskreises um eine Achse können verschiedene Schnittebenen erstellt werden, die die Verteilung der Spannungen in verschiedenen Richtungen zeigen.
Du hast nun alle relevanten Spannungen aus dem Mohrschen Spannungskreis abgelesen. Im nächsten Kursabschnitt schauen wir uns an, wie die Hauptrichtungen der Hauptnormalspannungen und Hauptschubspannungen abgelesen werden.
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