Wasser zeigt eine besondere Art der Wärmedehnung, die von seiner einzigartigen Molekularstruktur und den Wasserstoffbrückenbindungen abhängt. Wasser zeigt dabei ein ungewöhnliches Verhalten (=Anomalie des Wassers), insbesondere im Temperaturbereich zwischen 0 °C und 4 °C.
Zunächst betrachten wir das Wassermolekül, die kovalente Bindung zwischen dem Sauerstoffatom und den beiden Wasserstoffatomen sowie die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Wassermolekülen.
Danach schauen wir uns an, wie sich Wasser bei Temperaturänderungen verhält und was die Wasserstoffbrückenbindungen damit zu tun haben.
Wassermolekül – kovalente Bindung
Ein Wassermolekül besteht aus zwei Wasserstoffatomen H und einem Sauerstoffatom O (H2O). Das Sauerstoffatom hat sechs Valenzelektronen, während jedes Wasserstoffatom ein Valenzelektron hat.
Valenzelektronen (valence electrons) sind die Elektronen, die sich in den äußersten Schalen (Energieniveaus) eines Atoms befinden. Diese Elektronen sind entscheidend für die chemischen Eigenschaften eines Elements, da sie an der Bildung von chemischen Bindungen teilnehmen.
Die beiden Wasserstoffatome und das Sauerstoffatom bilden einen Winkel von etwa 104,5 Grad, was durch die Elektronenpaar-Abstoßungstheorie (VSEPR-Theorie) erklärt wird. Diese Theorie besagt, dass sich die Elektronenpaare um das Sauerstoffatom so weit wie möglich voneinander entfernen, um die Abstoßung zu minimieren.
Oktettregel
Die Oktettregel besagt, dass Atome bestrebt sind, bei chemischen Reaktionen eine Elektronenkonfiguration mit 8 Valenzelektronen in ihrer äußeren Schale zu erreichen. Dies entspricht der Elektronenkonfiguration von Edelgasen, die aufgrund ihrer vollen Außenschalen besonders stabil sind.
Die Oktettregel gilt hauptsächlich für Nichtmetalle in den Hauptgruppen des Periodensystems. Elemente wie Kohlenstoff (C), Stickstoff (N), Sauerstoff (O) und die Halogene (z. B. Fluor, Chlor) folgen der Oktettregel.
Außnahme: Wasserstoff strebt nach einer vollen äußeren Schale mit nur zwei Elektronen, nicht acht, weil seine erste und einzige Schale nur Platz für zwei Elektronen bietet.
Kovalente Bindungen
Atome neigen dazu, Elektronen aufzunehmen, abzugeben oder zu teilen, um eine stabile äußere Elektronenschale mit 8 Elektronen zu erreichen. Diese Regel erklärt, warum Atome bestimmte Bindungen eingehen.
In einer kovalenten Bindung teilen sich die Atome ein oder mehrere Elektronenpaare. Jedes Atom trägt ein Elektron zu dem Paar bei, sodass beide Atome von der Teilung profitieren, indem sie eine voll besetzte äußere Elektronenschale (ähnlich wie bei Edelgasen) erreichen.
Das Sauerstoffatom mit seinen 6 Elektronen auf der äußeren Schale strebt danach 8 Elektronen in seiner äußeren Schale zu haben (Oktettregel). Jedes Wasserstoffatom mit jeweils einem Elektron möchte 2 Elektronen in seiner äußeren Schale haben.
Beim Wassermolekül (H₂O) hat das Sauerstoffatom 6 Valenzelektronen und benötigt zwei weitere, um die Oktettregel zu erfüllen. Es bildet zwei kovalente Bindungen mit zwei Wasserstoffatomen, die jeweils ein Elektron beisteuern. Dadurch hat Sauerstoff insgesamt 8 Elektronen in seiner äußeren Schale und erreicht eine stabile Elektronenkonfiguration. Jedes Wasserstoffatom hat damit zwei Elektronen auf seiner äußeren Schale und erreicht ebenfalls eine stabile Elektronenkonfiguration.
Bei kovalenten Bindungen teilen sich zwei Atome jeweils ein Elektron miteinander, wodurch ein gemeinsames Elektronenpaar entsteht. Dieses Elektronenpaar gehört gleichzeitig zu beiden Atomen und trägt dazu bei, dass jedes Atom die stabile Elektronenkonfiguration erreicht, die durch die Oktettregel beschrieben wird.
In einem Wassermolekül (H₂O) beispielsweise teilt das Sauerstoffatom jeweils ein Elektron mit jedem der beiden Wasserstoffatome. So entstehen zwei Elektronenpaare, die sowohl zum Sauerstoffatom als auch zu den Wasserstoffatomen gehören, was allen beteiligten Atomen eine stabile Elektronenkonfiguration verleiht.
Polares Molekül
Das Wassermolekül (H₂O) ist ein polares Molekül.
Ein polares Molekül ist ein Molekül, bei dem die Verteilung der Elektronen nicht gleichmäßig ist, sodass eine Seite des Moleküls eine teilweise positive Ladung (δ+) und die andere Seite eine teilweise negative Ladung (δ-) aufweist. Diese Ladungsdifferenz führt dazu, dass das Molekül ein elektrisches Dipolmoment hat.
Ein polares Molekül hat die folgenden Merkmale:
Unterschiedliche Elektronegativität: Polare Moleküle entstehen, wenn die Atome in einer kovalenten Bindung unterschiedliche Elektronegativitäten haben, sodass die Elektronen stärker zu einem Atom hingezogen werden.
Asymmetrische Molekülstruktur: Damit ein Molekül polar ist, muss es auch eine asymmetrische Geometrie haben, sodass die positiven und negativen Ladungen nicht durch symmetrische Anordnung ausgeglichen werden.
Wasser ist ein klassisches Beispiel für ein polares Molekül. Sauerstoff (O) hat eine höhere Elektronegativität als Wasserstoff (H), sodass die Elektronen in den O-H-Bindungen näher zum Sauerstoff gezogen werden. Da das Wassermolekül eine gewinkelte Struktur hat, entsteht ein Dipolmoment, bei dem das Sauerstoffende eine negative Teilladung (δ-) und die Wasserstoffenden eine positive Teilladung (δ+) aufweisen.
Wasserstoffbrückenbindungen
In einem Wassermolekül (H₂O) zieht das Sauerstoffatom die Elektronen stärker an als die Wasserstoffatome, wodurch das Sauerstoffende des Moleküls leicht negativ (δ-) und das Wasserstoffende leicht positiv (δ+) geladen ist. Wasserstoffbrückenbindungen sind besondere Anziehungskräfte, die zwischen Wassermolekülen auftreten.
Wenn mehrere Wassermoleküle in der Nähe sind, zieht das leicht positive Wasserstoffatom H eines Wassermoleküls das leicht negative Sauerstoffatom O eines benachbarten Moleküls an. Diese Anziehungskraft nennt man Wasserstoffbrückenbindung. Obwohl sie schwächer ist als eine kovalente Bindung, hält sie die Wassermoleküle zusammen und sorgt z.B. dafür, dass Wasser bei Raumtemperatur flüssig ist und eine hohe Oberflächenspannung hat.
Nachdem wir das Wassermolekül und seine Wasserstoffbrückenbindungen kennengelernt haben, schauen wir uns nun an, wie sich Wasser bei unterschiedlichen Temperaturen verhält.
Anomalie des Wassers
Die Anomalie des Wassers bezieht sich auf ungewöhnliche Eigenschaften von Wasser, die von den meisten anderen Substanzen abweichen. Die bekannteste Anomalie ist das Verhalten von Wasser hinsichtlich seiner Dichte bei unterschiedlichen Temperaturen.
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Maximale Dichte bei 4 °C: Wasser hat seine größte Dichte bei etwa 4 °C. Das bedeutet, dass Wasser bei dieser Temperatur das kleinste Volumen für eine gegebene Masse hat. Wenn Wasser von 4 °C auf 0 °C abkühlt, dehnt es sich aus, anstatt sich weiter zusammenzuziehen, wie es bei den meisten anderen Stoffen der Fall wäre.
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Erweiterung beim Gefrieren: Wenn Wasser auf 0 °C und abkühlt, bildet sich Eis, das eine geringere Dichte als flüssiges Wasser hat. Das liegt an der besonderen Struktur der Wasserstoffbrückenbindungen im Eis, die ein Gitter mit viel Leerraum bilden. Deshalb dehnt sich Wasser aus, wenn es gefriert, und hat eine geringere Dichte als in flüssiger Form.
- Eis: Unterhalb von 0°C verhält sich das Eis wie ein normaler Festkörper. Sein Volumen verringert sich bei weiterer Temperaturabnahme.
Diese Anomalie hat bedeutende ökologische Auswirkungen. Da Eis weniger dicht ist als flüssiges Wasser, schwimmt es auf Wasseroberflächen. Dies hat Auswirkungen auf das Leben im Wasser, da die isolierende Eisschicht die darunter liegenden Gewässer vor dem Gefrieren schützt und so das Leben in kalten Jahreszeiten ermöglicht.
Molekülgitter: Eis
In der obigen Grafik siehst du das Molekülgitter von Eis (Draufsicht – 2D). In der dreidimensionalen Ansicht ist jedes Sauerstoffatom (O) von vier Wasserstoffatomen (H) umgeben. Zu zwei Wasserstoffatomen eines Wassermoleküls führt je eine Wasserstoffbrücke zu anderen Sauerstoffatomen, die weiter entfernt liegen. Diese Anordnung bewirkt ein weitmaschiges Gitter mit großes Hohlräumen von sechseckigen Querschnitt.
Eis: < 0 °C
Eis verhält sich unter 0°C wie ein Festkörper. Sein Volumen verringert sich und seine Dichte steigt mit abnehmender Temperatur.
Wasser: 0°C – 4°C
Ab 0°C schmilzt das Eis und das Gitter bricht zusammen. Die Wassermoleküle können näher zusammenrücken und das Volumen wird kleiner. Es bestehen jedoch noch Molekülgruppen, die durch Wasserstoffbrücken zusammengehalten werden. Mit zunehmender Temperatur werden diese Bruchstücke immer kleiner, und die Moleküle rücken weiter zusammen. Daher nimmt bis 4°C das Volumen des Wasser ab und seine Dichte zu.
Wasser: > 4°C
Ab 4°C verhält sich Wasser wie die meisten Flüssigkeiten. Bei einer weiteren Temperaturerhöhung vergrößert sich der Abstand zwischen den Molekülen, das Wasser dehnt sich aus. Die Dichte nimmt dann wieder ab.
Wasserstoffbrückenbindungen – Temperaturänderung
Wir wissen bis jetzt, dass ein Wassermolekül aus einem Sauerstoffatom und zwei Wasserstoffatomen bestehen, die eine kovalente Bindung eingehen, damit die Oktettregel erfüllt wird. Sauerstoff möchte 8 Elektronen auf der äußeren Schale besitzen, Wasserstoff 2 Elektronen auf der äußeren Schale. Da Wasserstoffatome nur eine Schale besitzen, können diese auch nur maximal 2 Elektronen aufnehmen.
Wassermoleküle bilden von den Wasserstoffatomen ausgehend Wasserstoffbrücken zu anderen Sauerstoffatomen. Das liegt an der partiellen positiven Ladung der Wasserstoffatome infolge der kovalenten Bindung. Diese ziehen partiell negativ geladene Sauerstoffatome benachbarter Wassermoleküle an.
Wir wissen zudem, dass die Wasserstoffbrückenbindung unter den Wassermolekülen dafür verantwortlich ist, dass Eis eine geringere Dichte aufweist als Wasser. Wir wollen nun nochmal näher betrachten was genau mit den Wasserstoffbrückenbindungen passiert, wenn die Temperatur sich ändert.
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Wasserstoffbrückenbindungen im Eis (0°C und kälter) sind stabil und halten die Moleküle in einer festen Anordnung. Diese Stabilität sorgt dafür, dass Eis bei niedrigen Temperaturen fest bleibt. Mit zunehmender Kälte verringert sich die kinetische Energie der Moleküle, was zu einer kompakteren und stabileren Gitterstruktur im Eis führt. Damit verhält sich Eis wie ein Festkörper und die Dichte sinkt mit abnehmender Temperatur.
- Im flüssigen Wasser (ab 0°C und höher) sind die Wasserstoffbrückenbindungen weniger stabil und dynamischer. Die Moleküle sind ständig in Bewegung und die Wasserstoffbrückenbindungen brechen und bilden sich ständig neu. Das flüssige Wasser hat eine weniger regelmäßige Struktur als Eis.
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Da die Moleküle im flüssigen Wasser dichter gepackt sind und die Wasserstoffbrückenbindungen weniger stabil sind, hat flüssiges Wasser eine höhere Dichte als Eis. Die größter Dichte weist das Wasser bei einer Temperatur von 4°C auf. Mit steigender Temperatur dehnt sich Wasser aus und die Dichte nimmt ab.
Trotz dieser verminderten Stabilität bei höheren Temperaturen sind Wasserstoffbrückenbindungen auch im flüssigen Wasser vorhanden und tragen zur einzigartigen Struktur und den Eigenschaften von Wasser bei. Diese Bindungen sind verantwortlich für viele der physikalischen Eigenschaften von Wasser, wie seine hohe Oberflächenspannung und hohe spezifische Wärme.
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