In diesem Kursabschnitt verschaffen wir dir einen ersten Überblick zu den Verfahren des Biegeumformens, damit du dir hierzu ein genaues Bild machen kannst.”
Für ein optimales Verständnis helfen dir anschauliche Beispiele zu dem Thema. Mehr zu diesem Thema und der Fertigungstechnik findest du im Kurs: FT0-Fertigungstechnik Auch interessant! Alles zur Montagetechnik von Schrauben findest du im Kurs: MO1-Montagetechnik
Biegeumformen – Grundlagen
“Beim Biegeumformen, oder kurz Biegen, wird die geometrische Form eines Stoffes geändert ohne, dass es zu einer Reduzierung des Stoffzusammenhaltes kommt.”
Anders als bei den beiden vorherigen Verfahrensarten nutz man hier eine Biegebeanspruchung des Materials für den Umformungsprozess. Genauer gesagt wird eine Biegekräfte auf das Material ausgeübt.
Die Organisation der Verfahren des Zugdruckumformens erfolgt in der DIN 8586. Hier findest du über diesen Text hinausgehende Informationen.
- Der Biegevorgang kann sowohl warm als auch kalt erfolgen.
- Die Länge des Zuschnitt errechnet sich über die neutrale Faser.
- Der Biegewinkel muss höher gewählt werden als geplante Winkel (Stichwort: Rückfedern)
- Die Höhe der notwendigen Biegekraft richtet sich nach der Werkstofffestigkeit und dem Querschnitt des Werkstücks.
In der nächsten Abbildung findest du eine Übersicht aller Verfahren des Biegeumformens, die dieser Gruppe zugerechnet werden:
Die Bearbeitung des Werkstücks erfolgt meist als Kaltumformung. Die Biegekräfte bewirken, dass das Werkstück in die vorgegebenen Proportionen überführt wird. Es handelt sich um eine gezielte irreversible (plastische) Verformung des Werkstücks.
Beim Biegeumformen kommen unterschiedliche Methoden zum Einsatz. So werden Werkstücke mit nachfolgenden Verfahren umgeformt:
- Freies Biegen
- Gesenkbiegen
- Knickbiegen
- Walzbiegen
- Rollbiegen
- Schwenkbiegen
Die wichtigsten Biegeumformtechniken sind das Freibiegen und das Gesenkbiegen.
Berechnungen zur Biegeumformung
Berechnung der gestreckten Länge [neue Gesamtlänge]
Beim Biegen werden die inneren Werkstofffasern des Werkstücks gestaucht und die äußeren Werkstofffasern hingegen gestreckt. In der Mitte des Werkstücks liegt die neutrale Faser. Die neutrale Faser kennzeichnet, dass es sich bei dieser Linie um den spannungsfreien Bereich des Werkstücks infolge des Biegens handelt. Die Ausgangslänge bleibt konstant und erfährt weder eine Stauchung noch Streckung.
Sind die durch die Biegung realisierten Radien besonders groß, so setzt sich die Länge der neutralen Faser aus den einzelnen Teillängen zusammen.
Damit im Vorfeld das Rohmaterial für das Biegeteil richtig zugeschnitten werden kann, gilt es zuvor die gestreckte Länge zu berechnen.
In der nachfolgenden Abbildung siehst du ein Werkstück, welches bereits eine zweifache Biegung erfahren hat. Die zugehörigen, relevanten Größen sind bereits eingetragen.
Um die getreckte Länge zu berechnen, zieht man den neutrale Faser heran. Hierbei zerlegt man das Werkstück in einzelne Radien und gerade Stücke. Daraus können wir dann eine Gleichung formulieren, mit die getreckte Länge des Radius berechnen lässt:
Kennzahlen:
- Länge
- mittlerer Radius
- Kreiszahl (3,141…)
- Winkel
Da wir in unserer Abbildung zwei Bereiche mit Biegung und einen Bereich ohne Biegung vorliegen haben, sieht unsere Gesamtgleichung für die getreckte Länge (Gesamtlänge) wie folgt aus:
Kennzahlen:
- Gestreckte Länge (Gesamtlänge)
- Länge (gestreckter Bereich 2)
- Länge (gestreckter Bereich 2)
- Länge (ungestreckter Bereich 1)
- mittlerer Radius 1
- mittlerer Radius 2
- Kreiszahl (3,141…)
- Winkel 1
- Winkel 2
In den meisten Fällen werden die Längenmaße, aufgrund der besseren Genauigkeit, nicht in Zentimeter (cm) sondern in Millimeter (mm) angegeben.
Zur Berechnung der Gesamtlänge des kompletten Biegeteils bildet man die Summe aus den gerade Stücken und den getreckten Länge der Radien.
Berechnung der Umformkraft | Biegespannung
Sobald ein Werkstück eine plastische Verformung erfährt, entsteht im unteren Bereich des Querschnitts eine Druckspannung, wohingegen im oberen Bereich eine Zugspannung auftritt. Der Maximalwert der Spannung ist hier die Biegespannung.
- Wie groß dieser Wert letztlich ausfällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Entscheidend sind folgende Fragestellungen
- Wie groß ist die einwirkende Kraft?
- Wie groß ist die wirksame Hebellänge?
- Wie wird das Werkstück eingespannt?
- Welchen Querschnitt weist das Werkstück auf?
- Welche Abmessungen besitzt der Werkstückquerschnitt?
- Wo liegt der Werkstückquerschnitt?
- Aus welchem Werkstoff wurde das Werkstück erzeugt? (Materialwerte)
Sind alle Fragestellungen beantwortet, so kann mit der Berechnung der Biegespannung und des Biegemoments begonnen werden.
Biegemoment Mb
Das Biegemoment errechnet sich aus dem Produkt von der Größe der einwirkenden Kraft und der wirksamen Hebellänge . Formal sieht das dann wie folgt aus:
Kennzahlen
- Biegemoment,
- einwirkende Kraft,
- Hebellänge (Hebelarm).
Biegespannung σb
Die Biegespannung ergibt sich aus dem Quotienten von Biegemoment und axialem Widerstandsmoment . Formal sieht das dann wie folgt aus:
Kennzahlen
- Biegespannung,
- Biegemoment,
- axiales Widerstandsmoment.
Das axiale Widerstandsmoment berücksichtigt in der Berechnung, neben der Abmessung des Werkstückquerschnitts, ebenfalls dessen Lage und Form. Beachte bei Berechnungen immer die Lage der Biegeachse. In unserem Fall liegt sie vertikal zur Kraftrichtung.
Rückfederung nach dem Biegevorgang
Nach der Biegung federt ein Werkstück um einen gewissen Betrag zurück. Wie stark diese Rückfederung ausfällt hängt von
- Härte
- Festigkeit
des Werkstoffes sowie von dem Verhältnis von Biegeradius zu Blechdicke ab.
Daher sollte man den Stempelradius, also den Radius am Werkzeug, kleiner wählen um letztlich den gewünschten Biegeradius zu erhalten. Das daraus resultierende Überbiegen entspricht der Größe der reversiblen (elastischen) Rückfederung.
Liegen dem Fertigungstechniker diese Angaben nicht vor, so empfiehlt es sich im Vorfeld einige Probebiegungen mit Probewerkstücken durchzuführen um Biegung der späteren Biegeteile hinsichtlich Werkstoffeinflüssen und Biegeeinflüssen genau einstellen zu können.
Biegeumformverfahren – Übersicht
Nachfolgend findest du eine Vorstellung der fünf Verfahren nacheinander:
Freies Biegen
Beim freien Biegen, auch als Freibiegen bekannt, erfolgt der Biegevorgang mit Hilfe eines geradlinigen Werkzeuges. Beim freien Biegen ist die spätere Form nicht in den Werkzeugen erhalten. Die Formgebung erfolgt über die gesteuerte Bewegung der Werkzeuge.
Das Freibiegen ist das Umformen von Werkstücken mit geradlinigen Werkzeugen ohne Einsatz von Vorrichtungen.
Hauptsächlich wird dieses Verfahren für das Biegen von
- Blechen
- Rohren
- Stäben
genutzt.
Der Biegevorgang kann beim Freibiegen auf zwei unterschiedliche Arten hinsichtlich Einspannung und Auflagerung erfolgen:
- Einspannung: Das Blech ist auf einer Seite (einseitig) eingespannt und die Umformung erfolgt am freien Ende mit Hilfe von geradlinig einwirkenden Werkzeugen.
- Auflagerung: Das Blech lagert an den Enden auf zwei Auflagern. Der Bereich zwischen den Auflagern ist offen. Das einwirkende Werkzeug formt das Bleche im Bereich zwischen den Auflagern um.
In der DIN8586 werden drei Varianten unterschieden:
- Freies Runden: Das ebene Blech wird gerundet, wobei der Biegevorgang schrittweise erfolgt und nach jeder Teilbiegung das Biegewerkzeug ein Stück versetzt wird, bevor es zu einer erneuten Biegung kommt.
- Querkraftfreies Runden: Die Blechenden sind eingespannt und werden durch eine reine Biegebeanspruchung aufeinander zu bewegt. Innerhalb der Umformzone wirken ausschließlich Biegespannungen.
- Biegerichten: Hier werden bereits verbogene Werkstücke nachträglich gerichtet.
Zusammenfassen lässt sich sagen, dass die Verfahren des freien Biegens im Vergleich zu anderen Verfahren sehr flexibel sind. Anwendung finden diese Verfahren in der Werkstattfertigung von einzelnen Teilen oder kleinen Serien. Besonders erwähnenswert ist, dass aufgrund der relativ geringen Bearbeitungskräfte, schlanke Werkzeuge für die Umformung genügen, wodurch die Bearbeitungsmöglichkeiten erhöht werden und die Anschaffungskosten der Maschinen vergleichsweise niedrig ausfallen.
Mit einem einzigen Werkzeug können viele unterschiedliche Werkstücke bearbeitet werden.
Um die bei diesen Verfahren fertigungsbedingte erhöhte Ungenauigkeit (Winkelabweichung) zu reduzieren, setzen moderne Maschinen auf integrierte Winkelmesser, die auftretenden Fehler entgegenwirken.
Gesenkbiegen
Das Gesenkbiegen, alternativ als Abkanten bezeichnet, erzeugt eine Biegung mit Hilfe einer Matrize die eine V-förmige Öffnung aufweist. Das Verfahren erlaubt sogar die Herstellung von schwierigen Blechprofilen.
Das Gesenkbiegen ist das Umformen von Werkstücken mit einem Biegestempel.
Dabei wird das Werkstück (eben oder bereit umgeformt) auf die Matrize gelegt und ein genau über der Öffnung befindliches Oberwerkzeug wirkt auf das Werkstück ein. Die kontrollierte Abwärtsbewegung des Oberwerkzeuges realisiert die Umformung des Werkstücks. In der Literatur finden sich zum Oberwerkzeug aus andere Bezeichnungen wie Schwert oder (Biege-)Stempel.
Zur genauen Positionierung und “Fixierung” der Werkstücke kommen Hinterschläge zum Einsatz, welche bei modernen CNC-Maschinen sogar computergesteuert positioniert werden.
Nach der DIN 8586 unterscheiden wir die nachfolgenden drei Verfahrensarten:
- Freies Biegen (Luftbiegen): Hier berührt das bearbeitete Blech die Matrize lediglich an den beiden Kanten. Der Stempel wird über eine präzise Steuerung mittels CNC geführt. Die Biegung mit unterschiedlichen Winkeln kann hier ohne Werkzeugwechsel erfolgen. Wie groß der Biegewinkel ausfällt hängt hier von der Öffnungsweite der Matrize ab. Der Radius der Stempelspitze hat hingegen kaum Einfluss auf den Biegewinkel des Werkstücks.
- Prägebiegen: Hier wird das Werkstück mit hohem Druck zwischen Stempel und Matrize geprägt. Der Öffnungswinkel der Matrize und der Winkel der Stempelspitze weisen beiden einen Wert von ca. 90° auf. Die höhere Genauigkeit geht hier zu Lasten der Flexibilität.
- Dreipunktbiegen: Hier drückt der Stempel das aufgelegte Werkstück bis auf die Matrize, die eine U-Öffnung aufweist. Somit berührt das Werkstück die Matrize an drei Punkten. Auch hier lassen sich unterschiedliche Biegewinkel ohne Werkzeugwechsel realisieren. Die Steuerung der beweglichen Gegenhalter und die genaue Positionierung des Stempel machen die Umformung aufwendiger als bei den beiden anderen Verfahren.
Die drei Verfahren sind in den nächsten Abbildungen nochmals dargestellt:
Knickbiegen
Das Knickbiegen ist ein Umformverfahren bei dem es zum Ausknicken des Werkstücks kommt. Dabei knickt das Werkstück senkrecht zur Kraftrichtung aus. Durch die Einspannung des nicht umzuformenden Teils des Werkstücks wird die Umformzone begrenzt. Diese Verfahren kennzeichnet sich durch seine relative Einfachheit und wird zum Urformen von Bleche verwendet.
In den nächsten beiden Abbildungen siehst du zwei mögliche Varianten des Knickbiegens.
Walzbiegen
Beim Walzbiegen kommen Walzenpaare als Werkzeuge zum Einsatz, die das Werkstück in die gewünschte Form umbiegen. Anders als bei den bisher betrachteten Verfahren wird die Umformung durch eine drehende Werkzeugbewegung realisiert.
Die Walzen können
- glatt
- profiliert
konstruiert werden.
Nach DIN 8586 zählen nachfolgende Verfahren zum Walzbiegen
- Walzrunden: Hier wird das Werkstück durch Walzen gebogen, wobei der Biegeradius über die Positionierung der Walzen eingestellt wird.
- Walzrichten: Bei dieser Verfahrensart richtet man bereits verformte Werkstücke, indem sie gerade gebogen werden.
- Walzziehbiegen: Anders als bei den übrigen Verfahren dieser Umformtechnik werden nicht die Walzen angetrieben, sondern das flache Werkstück durch die Walzen hindurchgezogen.
- Walzprofilieren: Die bei diesem Verfahren eingesetzten Walzen weisen ein Profil auf. Das flache Werkstück wird bei dieser Umformung profiliert.
- Wellbiegen: Die Walzen haben mehrere über den Umfang verteilte Ausbuchtungen wodurch beim Werkstück die Struktur eines Wellbleches entsteht.
Der Unterschied zum Walzen als Verfahren des Druckumformens, welches eine Massivumformung bewirkt, werden beim Biegewalzen Biegespannung im Bereich der Umformzone eingebracht.
Dieses Verfahren eignet sich für die Umformung von
- Blechen
- Stangen
- Rohren
In den beiden nächsten Abbildungen siehst du die Darstellung des Walzrundens und des Wellbiegens
Rollbiegen
Beim Rollbiegen wird das Werkstück in eine vorgegebene Form des Werkzeug hineingedrückt. Sofern es sich um ein Blech höherer Dicke handelt, empfiehlt es sich dieses im Vorfeld vorzubiegen (anzukippen). Dadurch wird das Abrollen erleichtert. Fixiert wird das nicht zu verformende Ende des Werkstücks durch eine Klemmbacke. Andere Varianten nutzen hingegen Rollbüchsen oder Rollstempel.
Wir unterscheiden drei Varianten dieser Verfahrensart nach DIN 8586:
- Rollbiegen mit Klemmbacke
- Rollbiegen mit Rollbüchse
- Rollbiegen mit Rollstempel
Je nach Durchführung kann der Biegevorgang durch unterschiedliche Werkzeugstellungen realisiert werden.
In den drei nachfolgenden Abbildungen haben wir die drei Verfahrensvarianten dargestellt.
Schwenkbiegen
Beim Schwenkbiegen drückt man das Werkstück an eine Auflage. Die Umformung erfolgt mit Biegewangen als Werkzeug zwischen denen das Werkstück eingespannt ist. Das Anschlagsystem und Hochhaltesystem positioniert das flache Werkstück. Dabei spannt die Oberwange das Blech gegen die Unterwange. Durch die Bewegung der Biegewange wird das Werkstücke in die festgelegte Form umgeformt.
Die vorrangig eingesetzten Werkstoffe für dieses Verfahren sind
- Stahlsorten
- NE-Metalle (Kupfer, Aluminium, Zink, etc.)
Der Vorteil dieses Verfahren liegt darin, dass je nach gewünschtem Umformungsgrad die Unter- und Oberwange eingestellt und sogar ausgetauscht werden können. Die realisierbaren Umformungsgrade sind denen des Gesenkbiegens sehr ähnlich.
Beim Schwenkbiegen erfolgt der Umformungsvorgang mit drehenden Werkzeugen. Dennoch ist die Anfertigung von komplexen Teil im Gegensatz zum Gesenkbiegen eingeschränkt.
Die Maschinen die für das Schwenkbiegen zu Einsatz kommen sind
- Abkantbänke (manuell)
- Schwenkbiegemaschinen (maschinell)
Nachdem wir uns jetzt einen ausreichenden Überblick bezüglich der Biegeumformen verschafft haben, wenden wir uns jetzt mit dem Fügen der dritten Hauptgruppe der Fertigungsverfahren zu.
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Quizfrage 1
Quizfrage 2
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