[ME1] Spannung und Dehnung infolge einer Zugbeanspruchung in der Maschinentechnik

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Inhaltsverzeichnis:

In diesem Kurstext gehen wir auf die Beanspruchungsart Zug in der Maschinentechnik näher ein. Wir untersuchen wie Spannungen und Dehnungen infolge einer Zugbeanspruchung auftreten. 

Für ein optimales Verständnis helfen dir einige anschauliche Beispiele und abschließende, umfangreiche Abbildungen  zu dem Thema, sowie ein zusammenfassender Videoclip.

 

Spannungen und Dehnungen infolge einer Zugbeanspruchung

Nachfolgend erklären wir dir getrennt voneinander, was diese beiden Größen auszeichnet und wie diese berechnet werden können.

Spannungen – Normalspannung

Liegt eine Zugbeanspruchung an einem Bauteil vor, so kommt es in dessen Inneren zur Spannungen und Dehnungen. Handelt es sich um eine reine Zugbeanspruchung so wirken nur Normalspannungen \sigma im Bauteil.

Zur Wahrung der Bauteilfestigkeit dürfen diese nicht den zulässigen Grenzwert \sigma_{zul} überschreiten. 

Formal ermittelt man die Normalspannung mit:

Normalspannung

\sigma = \frac{F}{A} \le \sigma_{zul}

Kennzahlen:

  • \sigma = Normalspannung
  • F = wirkende Kraft [in N]
  • A = Fläche [in mm²]
  • \le : kleiner gleich
  • \sigma_{zul} = Grenzwert [maximal zulässige Spannung]

Einheit:

\frac{N}{mm^2}: Kraft pro Fläche 

 

Die Grenzwerte der Spannung für einen verwendeten Werkstoff [Material der Stange] kannst du gängigen Werkstofftabellen entnehmen.

Eine Unterschreitung der Grenzspannung sollte immer eingehalten werden, da es es sonst infolge zu starker Spannungen zum Bauteilversagen kommen kann [Überbeanspruchung].

 

Dehnungen 

Dehnungen \epsilon ebenso wie Spannungen treten infolge einer Zugbeanspruchung auf. Dass auch Wärme eine Auswirkung auf Dehnungen [Wärmedehnungen] im Material hat, lassen wir an dieser Stelle zunächst aus. Eine Dehnung ist immer dann gegeben, wenn sich die Geometrie eines Bauteils infolge von äußerer Beanspruchung verändert. Man spricht von einer relativen Längenänderung. Diese Längenänderung kann eine

  • Verlängerung [Dehnung infolge von Zugkräften]
  • Verkürzung [Stauchung infolge von Druckkräften]

sein. 

Formal beschreibt man die Dehnung wie folgt:

Dehnung

\epsilon = \frac{\triangle l}{L_0}

Kennzahlen:

  • \epsilon = Dehnung [dimensionslos]
  • \triangle l = relative Längenänderung [in mm]
  • L_0 = Ausgangslänge [in mm]

Einheit:

Die Dehnung besitzt keine Einheit – Sie ist eine Verhältniszahl. Ausgehend von der Gleichung kannst du bereits erkennen, das durch den Bruch beide einzelnen Längenangaben weggekürzt werden. Oft wird dieser Wert jedoch in Prozent angegeben. 

 

Zugkraft – Rechenbeispiel: Kranhaken

Beispiel, Anheben eines Profils
Beispiel, Anheben eines Profils
Aufgabenstellung

Jetzt kommen wir zu einem Rechenbeispiel, bei welchem ein Rundprofil mit Hilfe eines Kranhakens angehoben werden soll. Als feste Verbindung zwischen Kranhaken und Profil dient ein Stab. Diese Aufgabe ist eine typische Aufgabe wie sie dir in einer Klausur begegnen könnte!

Anheben eines Profils mit Kranhaken
Anheben eines Profils mit Kranhaken

 

Folgende Größen sollen bestimmt werden:

  1. Berechne die Kraft [Haltekraft F_H], welche auf den Kranhaken wirkt um das Profil anzuheben.
  2. Berechne die Spannungen  \sigma im Stab [innere].
  3. Welche Dehnung \epsilon tritt im Stab auf, wenn sich dieser von 20 cm auf 24 cm verlängert.
[Gesucht: F_H , \sigma , \epsilon]

 

Gegebene Größen:

  • Das Profil ist b = 2 m breit und l = 5 m lang.
  • Der Stabdurchmesser (rund) beträgt d = 0,15 m 
  • Die durch das Profil verursachte Gewichtskraft beträgt F_{Profil} = 50 N
  • Zudem liegt Schnee auf dem Profil [zusätzliche Flächenlast] mit q_0 = 4 \frac{N}{m^2} 
[Gegeben: b, l, d, F_{Profil}, q_0]
Lösungsschritte

Vorgehensweise:

  1. Freischnitt erstellen [Darstellung zeichnerisch]
  2. Haltekraft am Stab berechnen [Berechnung]
  3. Spannungen im Stab berechnen [Schnittdarstellung +Berechnung]
  4. Dehnung im Stab berechnen [Berechnung]
Lösungsschritt 1

Freischnitt erstellen

Wie gewohnt führen wir einen Freischnitt durch und reduzieren alles auf den Stab [Linie] und die daran wirkenden Kräfte:

Freischnitt - Beispiel - Anheben eines Rundprofils
Freischnitt – Beispiel – Anheben eines Rundprofils

 

Lösungsschritt 2

Haltekraft am Stab berechnen

Im 2. Schritt ermitteln wir die Haltekraft F_H. Da wir bereits mit der Gewichtskraft des Profils F_{Profil} = 50 N eine der beiden notwendigen Gewichtskräfte gegeben haben, müssen wir für die vollständige Gleichgewichtsbedingung nun noch die Gewichtskraft des Schnees F_{Schnee} ermitteln.

Ermitteln von F_{Schnee}

Diese Kraft ist eine zusammengefasste Einzellast.

Dieser Schritt gelingt uns durch Hinzunahme der Flächenlast q_0 und der Berechnung der Gesamtfläche A

Unsere Ausgangsgleichung ist:

q_0 = \frac{ F_{Schnee}}{A} 

Diese Gleichung lösen wir durch Umstellen nun nach F_{Schnee} auf. 

F_{Schnee} = q_0 \cdot A 

Die Angabe für q_0 haben wir bereits und setzen sie ein:

F_{Schnee} = 4 \frac{N}{m^2} \cdot A 

Die Angabe für A fehlt uns noch, aber wir können diese mit unseren Vorgaben errechnen:

F_{Schnee} = 4 \frac{N}{m^2} \cdot (b \cdot l)

F_{Schnee} = 4 \frac{N}{m^2} \cdot (2 m \cdot 5 m)

F_{Schnee} = 4 \frac{N}{m^2} \cdot (10 m^2)

Zusammenrechnen und Kürzen der Flächeneinheit ergibt:

F_{Schnee} = 40 N 

 

Ermitteln von F_H 

Jetzt haben wir alle notwendigen Größen um die Gleichgewichtsbedingung aufzustellen und die Haltekraft zu berechnen:

\uparrow : F_H - F_{Profil} - F_{Schnee} = 0

Umstellen ergibt:

F_H = F_{Profil} + F_{Schnee}

Einsetzen liefert das Ergebnis:

F_H = 50 N + 40 N

F_H = 90 N 

Somit ist eine Haltekraft von 90 N notwendig um das Profil samt Schneefläche anzuheben. 

Lösungsschritt 3

Spannungen im Stab berechnen

Nachdem wir nun wissen, welche Kraft für das Anheben des Profils notwendig ist, wollen wir uns nun anschauen, welche Spannungen dadurch im Stab verursacht werden. Dieser Vorgang erlaubt es uns zu überprüfen, ob diese die zulässigen Spannungen nicht übersteigen. Lägen die auftretenden Spannungen oberhalb der zulässigen Spannungen, so würde dies zu einem Versagen des Stabe führen. 

Die nachfolgende Skizze visualisiert die vorliegenden Spannungen im Zusammenhang mit den auftretenden Kräften. 

Freischnitt, Schnitt durch den Stab

Durch den vorgenommenen Schnitt werden die Normalspannungen \sigma und die Schubspannungen \tau sichtbar. Es gilt:

  • \sigma steht immer senkrecht zur Schnittfläche.
  • \tau wirkt hingegen horizontal zur Schnittfläche. [Treten bei reinen Zugstäben und Druckstäben nicht auf!]

Zudem wirkt \sigma gleichmäßig verteilt auf der gesamten Schnittfläche.

Formal bestimmt wird die Normalspannung mit:

Normalspannung

\sigma = \frac{F_H}{A}

Kennzahlen:

  • \sigma = Normalspannung
  • F_H = Haltekraft
  • A = Fläche des Stabquerschnitts
Lösung 2

Zur weiteren Berechnung lösen wir die Gleichung nach F_H auf:

F_H = \sigma \cdot A

Anschließend ziehen wir die vertikale Gleichgewichtsbedingung heran:

\uparrow : F_H - F_{Profil} - F_{Schnee} = 0

und ersetzen F_H:

\uparrow : ( \sigma \cdot A ) - F_{Profil} - F_{Schnee} = 0

Als Nächstes lösen wir die gesamte Gleichung nach \sigma auf:

\sigma = \frac{F_{Profil} - F_{Schnee}}{A}

Jetzt benötigen wir noch die Angabe von A, die sich aus unserer obigen Angabe zum Stabdurchmesser leicht errechnen lässt:

A = \pi \cdot r^2 = \pi \cdot (\frac{d}{2})^2

A = \pi \cdot (0,075 m)^2

A = 0,018 m^2

Mit der Kenntnis der Kreisfläche und der beiden anderen Werte können wir jetzt die Normalspannung errechnen:

\sigma = \frac{50 N + 40 N}{ 0,018 m^2} = 5000 \frac{N}{m^2}

 

Im letzten Schritt gleichen wir unser Ergebnis mit der maximal zulässigen Spannung ab. Diese sei in unserem Fall angegeben mit:

\sigma_{zul} = 390 \frac{N}{mm^2}

Nach der Umrechnung auf die gleiche Einheit zeigt sich, dass der Stab die Belastung ohne Probleme aushält:

5000 \frac{N}{m^2} = 0,005000 \frac{N}{mm^2} \le 370 \frac{N}{mm^2}

\sigma \le \sigma_{zul} 

Lösungsschritt 4

Dehnung im Stab berechnen

Im letzten Schritt möchten wir die Dehnung im Stab berechnen. Wie wir wissen beträgt die Ausgangslänge unseres Stabes L_0 = 20 cm und infolge der Verlängerung wird L_1 = 24 cm 

Die Längenänderung \triangle l lässt sich mit einfacher Subtraktion errechnen:

\triangle l = L_1 - L_0 = 24 cm - 20 cm

\triangle l = 4 cm

Mit diesen Angaben können wir unter Hinzunahme der Gleichung der Dehnung, diesen Wert einfach errechnen:

\epsilon = \frac{\triangle l}{L_0}

\epsilon = \frac{4 cm}{20 cm}

\epsilon = 0,2

Der Stab wird aufgrund der Belastung um 20 % gedehnt. 

 

 

Darstellung im Spannung-Dehnungs-Diagramm

In der obigen Aufgabe haben wir mit \sigma_{zul} die zulässige Spannung festgelegt. Stellt sich nun die Frage woher stammt diese Angabe? 

Merk’s dir!

Zuerst einmal wird jedes Material mit Hilfe des Zugversuchs hinsichtlich der zulässigen Spannung und zulässigen Dehnung geprüft. Den genauen Ablauf dafür findest du in der Lektion Zugversuch.

 

Mit Hilfe des Spannungs-Dehnungs-Diagramms wird mit F (\triangle l) ein Zusammenhang zwischen der Kraft F und der Stabverlängerung \triangle l hergestellt. 

 

Geht da noch mehr?

Definitiv! Mit dem Diagramm lassen sich elastische und plastische Verformungsgrenzen festlegen, sowie Festigkeitsgrenzen und Bruchgrenzen ermitteln. 

 

Für jede Relation erhält man ein Ergebnis. Alle Ergebnisse zusammen ergeben dann die werkstoffspezifische Kurve des Spannungs-Dehnungs-Diagramms. Nachfolgend ist dieses dargestellt:

Spannungs-Dehnungs-Diagramm
Spannungs-Dehnungs-Diagramm

 

Wie du direkt erkennen kannst, unterteilt sich die Kurve in einen elastischen und einen plastischen Bereich. Zudem können 4 Grenzen ausgemacht werden:

  1. Dehngrenze: R_{p 0,2}, auch technische Elastizitätsgrenze oder Proportionalitätsgrenze genannt, liegt im elastischen Bereich und besagt welche Belastung eine Dehnung von 0,2 % verursacht.
  2. Obere Streckgrenze: R_{eH} liegt auf der Grenzen vom elastischem zu plastischem Bereich und legt den Punkt fest, ab welchem eine plastische Verformung im Bauteil auftritt. 
  3. Untere Streckgrenze: R_{eL} liegt im plastischen Bereich zwischen dem darin befindlichen Fließbereich und dem Bereich der Materialverfestigung. Hier kommt es zu einer Reduzierung der Spannung bei zunehmender Dehnung (Tiefpunkt).
  4. Zugfestigkeit: R_m läutet das Materialversagen ein. Denn hier ist die Dehnung derart stark, dass es im weiteren Verlauf zu einem Bruch kommt. 

 

 

Was kommt als Nächstes?

Nachdem wir uns mit Spannung und Dehnung bei Zug sowie dem Spannungs-Dehnungs-Diagramm befasst haben, gehen wir im nächsten Schritt über zu dem Thema Hooke’sche Gesetz und Elastizitätsmodul bei Zugkräften. 

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