Nachdem du die Polykondensation kennengelernt hast, wird dir als angehendem Techniker und Ingenieursstudent in diesem Kurstext Polyaddition einfach erklärt. Außerdem erfährst du alles notwendige über Polyadditive und Polyurethan.
🧬 Grundlagen & Historischer Hintergrund
Sie wurde erstmals 1937 von Otto Bayer und seinem Team in den Labors der IG Farben in Leverkusen entwickelt. Ihre wichtigste Entdeckung war die Reaktion von Diisocyanaten mit Diolen zu Polyurethan, ein Kunststoff, der heute weltweit in unzähligen Produkten zu finden ist – von Matratzen bis zu Autositzen.
🔍 Was ist die Polyaddition?
Definition
Sie [Kurz Polyadd.] ist eine Form der Polymerisationsreaktion, bei der sich Monomere mit zwei oder mehr funktionellen Gruppen (meist Hydroxylgruppen –OH oder Isocyanatgruppen –NCO) ohne Abspaltung von Nebenprodukten zu großen Molekülen, den Polymeren, verbinden.
Im Unterschied zur Polykondensation (bei der kleine Moleküle wie Wasser abgespalten werden) erfolgt bei der Polyadd. keine Abspaltung – stattdessen liegt der Reaktionsmechanismus in einer Platzwechselreaktion, bei der Atome – meistens Wasserstoff – zwischen funktionellen Gruppen wandern.
Diese Reaktion, auch Additionspolymerisation genannt, ist ebenfalls eine Polyreaktion bei der eine in Stufen ablaufende Verknüpfungsreaktion von bi– oder trifunktionellen Grundmolekülen, also Monomeren zu großen Molekülketten (Makromoküle, bzw. Polymeren) stattfindet.
Man bezeichnet diese Polyreaktion auch gerne als kondensierende Polymerisation.
Es entstehen bei der Polyadd. also aneinander gereihte Molekülketten in Form von
- Linearen Thermoplasten
sowie
- Räumlichen Duroplasten
sowie
- Räumlichen Elastomeren
Bei jeder dieser Formen sind die Molekülketten mehr oder weniger stark untereinander vernetzt.
⚙️ Ablauf der Polyaddition – So funktioniert’s
Ihr Mechanismus basiert auf einer stufenweisen Verknüpfung bi- oder trifunktioneller Monomere. Die funktionellen Gruppen reagieren miteinander, indem Wasserstoffatome zwischen den Gruppen umgelagert werden. Diese Platzwechselreaktionen verbinden die Moleküle zu größeren Einheiten, ohne dass dabei Wasser oder andere Nebenprodukte abgespalten werden.
🔁 Beispielreaktion:
-
Ein Diol (z. B. Ethandiol) reagiert mit einem Diisocyanat (z. B. Toluylendiisocyanat)
-
Es bildet sich eine Urethan-Gruppe – das Grundgerüst des Polyurethans
💡 Hinweis: Auch wenn der Begriff kondensierende Polymerisation verwendet wird, handelt es sich bei der Polyadd. formal um eine Additionsreaktion – sie ähnelt der Polykondensation nur strukturell.
Trotzdem steht sie der Polykondensation näher als der Polymerisation.
🧱 Struktur der entstehenden Polymere
Durch die Addition entstehen folgende drei Arten von Kunststoffen:
Art des Kunststoffes | Vernetzung | Eigenschaften | Beispiele |
---|---|---|---|
Thermoplasten | Keine / geringe Vernetzung | schmelzbar, verformbar | Schaumstoffe |
Duroplasten | Stark vernetzt | formstabil, hart | Dämmplatten |
Elastomere | Teilvernetzt | elastisch, gummiartig | Schuhsohlen, Dichtungen |
Polyaddition – Reaktionsgleichung
In der nächsten Abbildung siehst du die Reaktionsgleichung der Polyadd. mit dem Bezug zur Reaktionsgleichung der Polykondensation.
Die gewonnenen Produkte bezeichnet man als Polyaddukte.
Die Stufenwachstumsreaktion der Polyadd. erfolgt über Moleküle, die einen niedrigen Polymerisationsgrad aufweisen. Dazu gehören:
- Dimere
- Trimere
- Oligomere
Alle bilden untereinander neue Addukte.
Erst wenn die Polymerisation vollständig abgelaufen (99%) ist, bildet sich das Polymer, so wie bei der Polykondensation.
🧪 Beispiel: Reaktion zu Polyurethan
Die bekannteste Anwendung ist die Herstellung von Polyurethanen (PU).
Reaktionsschema:
Startreaktion:
-
HO–R–OH (Diol) + OCN–R’–NCO (Diisocyanat)
-
Reaktionsprodukt:
→ Polyurethan (bestehend aus vielen Urethan-Gruppen)
🔎 Die Urethan-Gruppe (-NH-CO-O-) ist das charakteristische Strukturelement in allen PU-Kunststoffen.
Eine wichtige Polyadd. ist die Reaktion von Diisocyanaten mit Diolen zu Polyurethan (PU).
🧩 Eigenschaften von Polyurethan (PU)
Polyurethane sind extrem anpassungsfähige Polymere, deren Eigenschaften sich durch die Auswahl und Kombination der Ausgangsmonomere steuern lassen:
-
Härtegrad: von weich-elastisch bis hart
-
Dichte: von leicht (Schaumstoff) bis schwer
-
Beständigkeit: gegen Öle, Fette, Lösungsmittel
-
Verformbarkeit: thermoplastisch oder formstabil (duroplastisch)
🏭 Polyurethane – Produkte & Anwendungen
Polyurethane sind heute allgegenwärtig – in der Industrie, im Haushalt und in der Medizin. Zu den häufigsten Einsatzbereichen gehören:
-
Weichschaumstoffe: Matratzen, Sitzpolster, Schwämme
-
Hartschaumstoffe: Wärmedämmplatten, Türfüllungen
-
Klebstoffe & Dichtmassen: in Bau und Automobiltechnik
-
Lacke & Beschichtungen: besonders abriebfest
-
Elastische Fasern: z. B. Elasthan (für Kleidung)
🧾 Norm: Polyurethan-Hartschaumstoffe sind in der DIN EN 13165 geregelt – speziell für Dämmstoffe im Bauwesen.
Genauere Angaben zu Polyurethan findest du in der Norm EN-13165 – Wärmedämmstoffe für Gebäude. Darin sind die Spezifikationen für Produkte aus Polyurethan-Hartschaum (PU) enthalten.
🧠 Anschauliche Beispiele aus dem Alltag
Hier einige verständliche Alltagsbeispiele für Produkte, die nach dieser Reaktion hergestellt wurden:
-
Matratze aus Kaltschaum: Der PU-Schaum passt sich dem Körper an.
-
Autositze: Bestehen oft aus PU-Schaum mit textilem Bezug.
-
Laufschuhe: Die Sohle ist oft ein PU-Elastomer für gute Dämpfung.
-
Sprühschaum zur Dämmung: Im Bau verwendet man PU als Isolierung.
-
Synthetik-Kleidung: Viele Sporttextilien enthalten PU-Fasern.
❓ FAQ – Häufig gestellte Fragen zur Polyaddition
1. Was ist der Unterschied zwischen Polyaddition und Polykondensation?
Bei der Polyadd. werden keine Nebenprodukte abgespalten, während bei der Polykondensation z. B. Wasser als Nebenprodukt entsteht.
2. Welche Kunststoffe werden durch Polyaddition hergestellt?
Vor allem Polyurethane (PU) – diese können als Thermoplasten, Elastomere oder Duroplasten auftreten, je nach Zusammensetzung.
3. Wie läuft eine Polyadditionsreaktion ab?
Die Reaktion verläuft stufenweise über Platzwechselreaktionen von Atomen – meist Wasserstoff – zwischen funktionellen Gruppen, z. B. Hydroxy- und Isocyanatgruppen.
4. Ist die Polyaddition ein Kettenwachstums- oder ein Stufenwachstumsmechanismus?
Die Polyadd. ist ein Stufenwachstumsmechanismus – das Polymer entsteht erst am Ende, wenn fast alle funktionellen Gruppen umgesetzt sind.
5. Wo findet die Polyaddition im Alltag Anwendung?
In Matratzen, Autositzen, Schuhsohlen, Dämmplatten, Elastikfasern, Klebern, Lacken und vielem mehr – Polyurethane sind extrem vielseitig einsetzbar.
🧾 Zusammenfassung – Das Wichtigste auf einen Blick
Thema | Erklärung |
---|---|
Polyaddition | Additionsreaktion zwischen zwei funktionellen Gruppen ohne Abspaltung von Nebenprodukten |
Hauptprodukt | Polyurethan (PU) |
Monomere | Diisocyanate + Diole |
Eigenschaften von PU | Vielseitig: hart, weich, elastisch, wärmeisolierend |
Typen von PU | Thermoplastisch, duroplastisch, elastomer |
Anwendungen | Möbel, Bau, Textil, Automotive, Medizin |
🏆 Fazit
Die Polyaddition ist eine Schlüsseltechnologie der modernen Kunststoffchemie – sie steht im Zentrum der Herstellung von Polyurethanen, die in nahezu jedem Lebensbereich zu finden sind. Anders als bei der Polykondensation entsteht dabei kein Nebenprodukt – das macht die Reaktion sauber, effizient und wirtschaftlich.
Mit dem richtigen Verständnis für Funktionsgruppen, Reaktionsmechanismen und Materialeigenschaften wird klar, wie leistungsfähig diese Form der Polymerisation ist – und warum sie aus der industriellen Produktion nicht mehr wegzudenken ist.
Jetzt hast du einen guten Überblick über die Polykondensation sowie die Polyadd. Um dieses Thema gut abzurunden gehen wir abschließend noch auf die Zusätze innerhalb der Polymerisation im kommenden Kurstext ein.
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