Dieser Kurstext ist ein Auszug aus unserem Onlinekurs: TM1 – Statik
In dieser Lerneinheit wollen wir uns anschauen, wie du in einem Fachwerk die Nullstäbe erkennen kannst.
Wir starten zunächst mit der Bestimmung von Nullstäben bevor wir dann in der folgenden Lerneinheit mittels Knotenpunktverfahren die unbekannten Stabkräfte in einem Fachwerk berechnen.
Was sind Nullstäbe?
Bei Nullstäben handelt es sich um diejenigen Stäbe in einem Fachwerk, die keine Kräfte (S = 0) übertragen.
Nullstäbe übertragen keine Kräfte, die Stabkraft ist demnach Null: S = 0. Wir können die Nullstäbe vor der Anwendung des Knotenpunktverfahrens bestimmen und markieren, so dass diese bei der Berechnung der unbekannten Stabkräfte nicht mehr berücksichtigt werden müssen. Dieses Vorgehen dient dazu, die Berechnungen zu erleichtern.
Es ist nicht notwendig aber sinnvoll die Nullstäbe vor der Berechnung zu markieren, weil wir diese Stäbe für die Berechnungen nicht mehr benötigen. So können wir vorher schon diejenigen Stäbe ausschließen, die keine Stabkraft aufweisen.
Es gelten die folgenden drei Regeln zur Bestimmung der Nullstäbe in einem Fachwerk.
Regel 1: Nullstäbe erkennen
Sind an einem unbelasteten Knoten (keine äußere Kraft) zwei Stäbe angeschlossen, die nicht auf einer Wirkungslinie liegen, dann sind beide Stäbe Nullstäbe.
In der obigen Grafik siehst du die markierten Knoten. Hier kann die Regel 1 angewendet werden. An den unbelasteten Knoten greifen je zwei Stäbe an, die nicht auf einer Wirkungslinie liegen. Damit sind hier beide Stäbe am jeweiligen Knoten Nullstäbe (orange eingezeichnet).
Regel 2: Nullstäbe erkennen
Sind an einem belasteten Knoten (äußere Kraft) zwei Stäbe angeschlossen, die nicht auf einer Wirkungslinie liegen und liegt einer der Stäbe auf der Wirkungslinie der äußeren Kraft, dann ist der andere Stab ein Nullstab.
In der obigen Grafik sind die beiden Knoten markiert, für welche du die Regel 2 anwenden kannst. Hierbei handelt es sich um zwei belastete Knoten an denen zwei Stäbe angreifen. Der eine Stab zeigt in Richtung der äußeren Kraft, damit ist der andere Stab ein Nullstab. In der obigen Grafik ergeben sich so 2 Nullstäbe (orange).
Regel 3: Nullstäbe erkennen
Sind an einem unbelasteten Knoten drei Stäbe angeschlossen und liegen zwei davon auf derselben Wirkungslinie, dann ist der andere Stab ein Nullstab.
Am markierten Knoten kann die Regel 3 angewendet werden. Es ist ein unbelasteter Knoten gegeben, an den drei Stäbe angreifen. Zwei Stäbe liegen auf der gleichen Wirkungslinie, damit ist der dritte Stab ein Nullstab.
Betrachten wir zur Veranschaulichung der drei Regel ein Fachwerk, in welchem alle drei Regeln zur Anwendung kommen:
Video: Nullstäbe erkennen
Wie du in einem Fachwerk die Nullstäbe erkennen kannst, zeigen wir dir im folgenden Video:
Beispiel: Nullstäbe erkennen
Wir schauen uns im folgenden zwei Fachwerke an, für welche die Nullstäbe mittels der obigen Regeln bestimmt werden sollen.
Beispiel 1: Nullstäbe bestimmen
Sind an einem belasteten Knoten (äußere Kraft) zwei Stäbe angeschlossen, die nicht auf einer Wirkungslinie liegen und liegt einer der Stäbe auf der Wirkungslinie der äußeren Kraft, dann ist der andere Stab ein Nullstab.
Die Regel 2 trifft hier zu, da der senkrechte Stab genau in Richtung der Kraft F liegt. Damit ist der waagerechte Stab ein Nullstab!
Wenn wir uns den rechten oberen Knoten ansehen, dann haben wir dort zwei Stäbe gegeben. Der Knoten ist unbelastet, es greift also keine äußere Kraft an den Knoten an. Wir prüfen hier auf Regel 1:
Sind an einem unbelasteten Knoten (keine äußere Kraft) zwei Stäbe angeschlossen, die nicht auf einer Wirkungslinie liegen, dann sind beide Stäbe Nullstäbe.
Beide Stäbe liegen nicht auf einer Wirkungslinie, weisen also unterschiedliche Richtungen auf. Demnach sind beide Stäbe Nullstäbe.
Die Regel 3 kann hier nirgends angewendet werden, da keine 3 Stäbe an einem unbelasteten Knoten gegeben sind. Wichtig: Dort wo die Auflagerkräfte angreifen sind belastete Knoten gegeben.
Beispiel 2 : Nullstäbe bestimmen
Gegeben sei das obige Fachwerk!
Bestimme alle Nullstäbe!
Die ermittelten Nullstäbe werden – wie in der Grafik zu sehen – markiert und können bei der Berechnung weggelassen bzw. als bekannte Stäbe mit dem Wert S = 0 behandelt werden.
Nachdem wir die Nullstäbe in der ersten Runde identifiziert und markiert haben, ist es sinnvoll das Fachwerk erneut auf Nullstäbe zu untersuchen. Dazu ist es am Einfachsten, die bereits ermittelten Nullstäbe zu entfernen, da man so besser sehen kann, wo weitere Nullstäbe liegen:
Betrachten wir die obere Grafik ohne die in Runde 1 ermittelten Nullstäbe, so sehen wir, dass es einen weiteren Nullstab gibt. Der markierte Knoten ist unbelastet und weist drei Stäbe auf. Zwei davon liegen auf einer Wirkungslinie, dann ist der dritte Stab der Nullstab (Regel 3):
Nachdem wir diesen Nullstab gedanklich entfernen, gibt es keine weiteren Nullstäbe in dem Fachwerk:
Das Fachwerk ergibt sich dann zu Beginn der Berechnungen wie folgt:
Die Nullstäbe müssen für die Berechnungen nicht zwingend bestimmt werden. Es ist aber sinnvoll diese vorab zu ermitteln, denn so fallen die Berechnungen einfacher aus. Die obigen grau hinterlegten Stäbe stellen die Nullstäbe da, welche keine Stabkraft aufweisen. Damit ist für diese Stäbe 0kN anzugeben. Im nächsten Schritt müssen die Knoten beschriftet werden und dann ein geeignetes Verfahren (z.B. Knotenpunktverfahren oder Ritterschnittverfahren) angewendet werden, um die blau hinterlegten Stabkräfte zu ermitteln. Die Nullstäbe müssen hier nicht weiter beachtet werden.